Zweifelhafte Rückendeckung aus Brüssel

31. Oktober 2013

EU-Verkehrskommissar bewegt sich auf dünnem Eis

Eine wie von CSU-Chef Horst Seehofer geforderte PKW-Maut für Ausländer ist europarechtlich nicht zulässig. Das bestätigt EU-Verkehrskommissar Siim Kallas in einem Schreiben, aus dem die Süddeutsche Zeitung zitiert. Allerdings erklärt der Kommissar darin auch eine Absenkung der Kfz-Steuer für Personenkraftwagen gebietsansässiger Fahrer für unproblematisch.

Ismail Ertug, SPD-Europaabgeordneter und Verkehrsexperte: „Die Einschätzungen des Verkehrskommissars sind überraschend. Herr Kallas bewegt sich auf dünnem Eis. Es gibt namhafte Juristen, wie etwa den Berliner Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler, die die rechtliche Lage komplett anders bewerten. Dennoch sollte sich die CSU nicht zu früh freuen, denn die von ihr geforderte Maut nur für Ausländer wird es nicht geben.“

Für übereilte Freude bestehe kein Grund, wenn man sich das Schreiben genauer durchlese. Denn selbst der EU-Kommissar rät von einer einheitlichen Maut-Abgabe ab und fordert stattdessen eine nutzungsabhängige Gebühr. Auf viele Autofahrer käme nämlich mit einer Maut, die keinen Unterschied bei der Nutzung der Infrastruktur macht, eine erhebliche Mehrbelastung zu. Ismail Ertug macht zudem auf ungerechte und ökologisch problematische Wirkungen einer solchen undifferenzierten Abgabe aufmerk¬sam: „Eine allgemeine Maut wirft den Spritschlucker mit dem Drei-Liter-Auto in einen Topf." Auch träfe sie die vielen Pendler mit geringem Einkommen empfindlich: "Die Maut wird sich als zusätzliche Pendlersteuer entpuppen“, befürchtet Ismail Ertug.

Denn eine im Gegenzug mögliche Absenkung der Kfz-Steuer "käme vor allem den Fahrern großer hubraumstarker Schlitten entgegen", erläutert Ismail Ertug. Viele Besitzer eines Klein- oder Mittelklassewagens, die heute wenig Kfz-Steuer zahlen, müssten aber mit einer höheren Belastung rechnen. Völlig ungeklärt sei auch, was mit Elektroautos geschehe, die komplett von der Kfz-Steuer befreit sind.

Was die erhofften Einnahmen betrifft, zeigt sich der SPD-Verkehrsexperte ebenfalls skeptisch: „Kompensiert man die Mautkosten für Inländer über die Kfz-Steuer, bleiben nur die fünf Prozent ausländische Pkw-Fahrer als Zahler übrig. Deren Mautgebühren reichen laut einer Studie des ADAC nicht einmal für die Deckung der Verwaltungskosten.“

„Man sollte sich nicht auf die Einschätzung des EU-Kommissars verlassen. Die Kommission ist schließlich nur die Exekutive. Das letzte Wort hätte bei den zu erwartenden Klagen der Europäische Gerichtshof. Und die Vergangenheit hat bereits gezeigt, dass Kallas oft von den europäischen Richtern korrigiert worden ist, wie etwa bei Fragen des 'Unbundlings' von Eisenbahnunternehmen, den Fahrgastrechten oder jüngst dem VW-Gesetz“, so Ismail Ertug abschließend.

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