Maria Noichl: Werden Klimasünder an die kurze Leine gelegt?

Maria Noichl, MdEP

15. September 2017

Am vergangenen Mittwoch hat das Europäische Parlament Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen und Erhöhung der CO2-Bindung durch Wälder gebilligt, um den Klimawandel zu bekämpfen. Vollends glücklich macht uns SozialdemokratInnen der Kompromiss aber nicht.

Um es kurz vorab in meinen Worten zusammenzufassen: Das Ziel des EU-Parlaments war, ein europäisches Buchungssystem für Wälder, Ackerland und Grasland (CO2-Einlagerung/CO2-Ausstoß) zu entwickeln, dass der Wirklichkeit möglichst nahe kommt. Denn, nur was in der Wirklichkeit positiv für das Klima ist, darf meiner Meinung nach rechnerisch auf der Plusseite verbucht werden. Wir SozialdemokratInnen haben uns dafür eingesetzt, dass das zukünftige System möglichst wenige Schlupflöcher besitzt und damit vermeintlich gute Werte zur CO2-Einlagerung auch wirklich dem Klima zugutekommen.

Der Gesetzesvorschlag sieht also vor, dass die EU-Mitgliedstaaten zukünftig dazu verpflichtet werden, für einen Ausgleich zwischen CO2-Emissionen und CO2-Bindung durch Wälder, Ackerland und Grasland zu sorgen. Klimasünder unter den 28 Mitgliedstaaten sollten damit zukünftig an der kurzen Leine gehalten werden und für den Nettoabbau von bewirtschafteten Waldflächen zur Verantwortung gezogen werden. Die SozialdemokratInnen konnten dabei erreichen, dass das von der EU-Kommission vorgeschlagene Forstreferenzlevel weitgehend beibehalten werden konnte.

Das Forstreferenzlevel legt den geschätzten Wert der durchschnittlichen jährlichen Nettoemissionen oder des durchschnittlichen jährlichen Nettoabbaus aus bewirtschafteten Waldflächen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats fest. Es soll nach dem verabschiedeten Gesetzesvorschlag auf der dokumentierten Waldbewirtschaftungspraxis zwischen 2000 und 2010 beruhen.

Die EU-Kommission hatte einen Zeitraum zwischen 1990 und 2009 vorgeschlagen. Die Konservativen schlugen einen in der Zukunft liegenden Forstreferenzwert vor, dem wir eine deutliche Absage erteilten und das System von vornherein zum Scheitern verurteilt hätte.

Zudem hat das Europäische Parlament die Bestimmungen dahingehend verschärft, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass ab 2030, in Übereinstimmung mit den langfristigen Zielen der EU und des Pariser Abkommens, mehr CO2 absorbiert als ausgestoßen wird. Ein Änderungsantrag der konservativen EVP in letzter Minute war nicht nachzuvollziehen: Dieser sollte die explizit genannte Reduzierung der Holzschlagintensität aus der Verordnung herausstreichen. Dies führt nun dazu, dass nachhaltige Forstwirtschaft mit etwa Baumplantagen, die beispielsweise für die Zelluloseindustrie genutzt werden, auf dem Papier gleichgesetzt sind. Die Stimmen der europäischen SozialdemokratInnen haben leider nicht ausgereicht, um dies zu verhindern.

Banking und Gutschrift von anderen Kohlenstoffspeicher

Wenn die CO2-Bindung die Emissionen durch Landnutzung für den ersten Fünfjahreszeitraum übersteigt, kann dieser Überschuss als Gutschrift auf den nächsten Fünfjahreszeitraum übertragen werden („Banking“). Die Mitgliedstaaten können einen Teil dieser Gutschriften nutzen, um die in der Lastenteilungsverordnung festgelegten Emissionsreduktionsvorgaben einzuhalten.

Um die Mitgliedstaaten aber grundsätzlich zu ermutigen, Potenzial zu entwickeln, soll die Obergrenze für die mögliche Nutzung von Gutschriften für vermiedene Entwaldung von 3,5 Prozent, wie von der Kommission vorgeschlagen, auf 7 Prozent angehoben werden.

Die Mitgliedstaaten werden über ihre Emissionsstatistik jährlich berichten. Die Ziele hinsichtlich des Ausgleichs der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen sollten in zwei Fünfjahreszeiträumen erreicht werden: 2021-25 und 2026-2030. Wenn ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen in einem der Zeiträume nicht nachkommt, wird der Fehlbetrag von seinen Zuweisungen im Rahmen der Lastenteilungsverordnung abgezogen.

Die nächsten Schritte

Die neuen Vorschriften wurden mit 532 Stimmen angenommen, bei 144 Gegenstimmen und 20 Enthaltungen. Parlament und Ministerrat werden mit den interinstitutionellen Verhandlungen, den sogenannten Trilogverhandlungen, beginnen, sobald der Rat einen gemeinsamen Standpunkt erarbeitet hat.

Hintergrundinformationen

Emissionen, die außerhalb der Kontrolle der Mitgliedstaaten freigesetzt werden (zum Beispiel durch Waldbrände), können von der Berechnung ausgeschlossen werden. Es gibt jedoch Vorschriften, die diese Ausnahme einschränken, um eine Gesetzeslücke zu vermeiden.

Landnutzung und Forstwirtschaft umfassen unsere Nutzung von Böden, Bäumen, Pflanzen, Biomasse und Holz und können eine einzigartige Rolle in einer soliden Klimapolitik spielen. Denn der Sektor stößt nicht nur Treibhausgase aus, sondern kann auch CO2 aus der Atmosphäre einlagern. EU-Wälder absorbieren jährlich Treibhausgase im Umfang von fast 10 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der EU.

Der Gesetzesvorschlag, der Teil des von der Europäischen Kommission im Juli 2016 präsentierten Klimapaketes ist, enthält den Vorschlag, Treibhausgasemissionen und den Abbau von Treibhausgasen im Zusammenhang mit Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 zu integrieren.

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