Kerstin Westphal: Tief besorgt über die Situation in Rumänien

Kerstin Westphal, MdEP

16. November 2018

Aktuell erreichen uns viele Bürgeranfragen zur Situation in Rumänien. Darin zeigen sich viele BürgerInnen unglücklich mit den 2017 angestoßenen Justizreformen der sozialdemokratischen Regierung. Im Europäischen Parlament haben wir in einer Resolution am Dienstag klar dazu Stellung bezogen. Das EP zeigt sich darin aufgrund der übertrieben brutalen Antwort der Polizei auf öffentliche Proteste und der Umgestaltungen einzelner Gesetzespassagen „zutiefst besorgt“.

Auch wir bayerischen SPD-Abgeordneten betrachten die aktuellen Entwicklungen kritisch. Die angesprochenen Reformen gefährden nicht nur die Unabhängigkeit der Justiz, sondern torpedieren auch die Fortschritte die im Bereich der Korruptionsbekämpfung in den letzten Jahren gemacht wurden. Auch gegen Proteste von RegierungsgegnerInnen wurde in diesem Sommer mit unnötiger Brutalität vorgegangen, JournalistInnenen teilweise an der Berichterstattung gehindert und RichterInnen und Rechtsanwälte eingeschüchtert oder unter Druck gesetzt. Das kann nicht sein!

Rechtsstaatlichkeit ist ein integraler Bestandteil der europäischen Werte. Sie darf in keinster Weise ausgehöhlt werden. Deshalb stellen wir uns, zusammen mit unserer Fraktion, diesen Entwicklungen entschieden in den Weg. Gut, dass das EU-Parlament jetzt auch Stellung bezogen hat.

Gleichzeitig gilt es aber auch zu differenzieren. Trotz der berechtigten Kritik an dem neuen Gesetzesvorstoß muss auch anerkannt werden, dass Rumänien seit seinem EU-Beitritt große Fortschritte gemacht hat. Unter sozialdemokratischer Regierung wuchs in den vergangenen zehn Jahren nicht nur das Bruttoinlandsprodukt um ein Volumen von 30 Prozent, auch der Kampf gegen die weit verbreitete Korruption im Lande trug erste Früchte. Das 2002 geschaffene Anti-Korruptionsdirektorat (DNA) ermittelte in den vergangenen Jahren gegen über 1250 Personen, darunter auch Senatoren, Minister und Abgeordnete.

Derweil wird von konservativer Seite auch immer wieder versucht die Situation in Rumänien gleichzusetzen mit den Entwicklungen in Ungarn und Polen, um so die sozial-demokratisch geführte Regierung zu diskreditieren. Das trifft jedoch nicht den Kern der Sache. Ungarn und Rumänien sind nicht in einem Atemzug zu nennen. Während in Ungarn eine Einschränkung der Pressefreiheit eindeutig festgestellt wurde, belegt Rumänien im „World Press Freedom Index“ den 44. Rang - noch vor Staaten wie den USA oder Italien. Trotz berechtigter Kritik an den jüngsten Entwicklungen in Rumänien muss auch hier klar differenziert werden!

Die aus Verfassungsexperten bestehende Venedig-Kommission des Europarats empfiehlt in ihrem kürzlich erschienenen Bericht die problematischen Aspekte der Justizreform, wie die Einschränkung der Meinungsäußerung für Richter und Staatsanwälte, zu streichen und jene Textstellen zu konkretisieren, die missbräuchlich verwendet werden könnten. Dem schließt auch das Parlament sich in seiner Stellungnahme an.

Für uns Europaabgeordnete stehen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unverrückbar im Zentrum der europäischen Idee. Wir werden uns klar dafür einsetzen, dass Rumänien die Vorschläge der Venedig-Kommission umsetzt und der noch immer weitverbreitete Korruption weiterhin den Kampf ansagt. Zuversichtlich stimmt uns hier, dass die Initiatoren des Gesetzes ihre Bereitschaft signalisiert haben, verschiedene Gesetzespassagen in Sinne der Demokratie zu ändern.

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