Ertug: „EU muss die Türkei motivieren!“

11. Oktober 2012

Der SPD-Europaabgeordnete für die Oberpfalz und Niederbayern, Ismail Ertug kommentiert den gestern veröffentlichten Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission zur Türkei:
"Viele Fortschritte weist der Bericht nicht auf. Der Reformprozess hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren verlangsamt", äußert sich Ertug enttäuscht. "Nur mit einer neuen Verfassung, die die freie Meinungsäußerung und die Grundrechte der Mehrheit und aller Minderheiten in der Türkei unter Schutz stellt, können die Kurdenfrage, Probleme mit Besitzrechten christlicher Einrichtungen und alewitischer Gebetshäuser oder die Kopftuchdebatte vernünftig adressiert werden", kritisiert Ertug den nur langsam voranschreitenden Verfassungsreformprozess in der Türkei.

Ertug weist aber auch daraufhin, dass die Türkei in diesen Tagen mit großen Turbulenzen zu kämpfen hat. Der Bürgerkrieg in Syrien und der wiederaufkeimende PKK-Terrorismus ließen wenig Aufmerksamkeit für die EU-Reformen zu. 700 Menschen seien im vergangen Jahr durch Terrorangriffe ums Leben gekommen; zudem versorge die Türkei fast 100 000 syrische Flüchtlinge. Die Kapazitäten seien erschöpft, daher drohe eine humanitäre Katastrophe. Ertug fordert die europäischen Regierungen auf, die Türkei zu unterstützen.
Ismail Ertug zufolge fällt es Politikern schwer, die türkische Bevölkerung für die EU und ihre Reformvorschläge zu begeistern. "Für welche EU denn, fragt man sich. Eine EU, die Millionen von Türken niemals betreten werden können, weil sie für die Einreise ein mit vielen Strapazen verbundenes Visum brauchen. Wie sollen sich die Menschen denn für Europa interessieren und begeistern, wenn sie nicht einmal Europa besuchen dürfen?", fragt der Europaabgeordnete und verweist auf den Glaubwürdigkeitsverlust der EU in der Türkei.
"Wir haben alle Instrumente in der Hand, um Reformen in der Türkei anzuspornen. Wir müssen sie nur nutzen", so Ertug abschließend.

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