Die Zukunft des Europäischen Verkehrs wird heute entschieden!

15. November 2012

Editiorial von Ismail Ertug, SPD-Europaabgeordneter und Berichterstatter der Leitlinien für transeuropäische Netze Verkehr

Eines der bedeutendsten Hindernisse für einen wahrhaft nahtlosen Verkehr zwischen den europäischen Mitgliedstaaten ist, dass bis heute in Europa eine effiziente, grenzübergreifende Verkehrsplanung nicht existiert. Wir haben in Europa zwar insgesamt eine gute, jedoch zwischen den Nationalstaaten stark fragmentierte Infrastruktur. Im Gesetzesvorschlag zu den transeuropäischen Verkehrsnetzen (TEN-V) wird daher ein Korridoransatz verfolgt, der in zehn prioritären Projekten die Hauptverkehrsknotenpunkte von jeweils mindestens drei Mitgliedstaaten miteinander verknüpft. Neben diesem „Kernnetz“, das bis 2030 fertig gestellt werden soll, soll ein „Gesamtnetz“ bis 2050 auch die ländlichen Regionen enger mit dem Rest Europas verbinden.

Ein weiteres Problem: der Verkehr ist der einzige Wirtschaftszweig, in dem sich die CO2-Bilanz von Jahr zu Jahr verschlechtert. Die EU-Kommission hat dies bereits im vergangenen Jahr durch ihr Weißbuch Verkehr zur Sprache gebracht und sich ambitionierte Ziele gesetzt, die CO2-Emissionen im Verkehr über die kommenden 40 Jahre hinweg drastisch zu senken. Leider ist die Sprache im Kommissionsvorschlag zu den TEN-V nicht mehr so deutlich. Zwar setzt die Kommission allgemein auf die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger wie Schiene und Binnenschifffahrt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur CO2-Reduzierung schlagen sich im Text jedoch nur unzureichend nieder. In meinem Bericht schlage ich deshalb vor, für die europäischen Infrastrukturprojekte stets eine Klimafolgenabschätzung durchzuführen und diese in die Genehmigung der Projekte mit einzubeziehen.
Bei der Planung und Umsetzung der einzelnen Verkehrsprojekte müssen die lokalen und regionalen Entscheidungsträger und die Bürger vor Ort stärker mit einbezogen werden. Hierbei kommt besonders den Koordinatoren der einzelnen Korridore eine Schlüsselrolle zu. Bedauernswert ist, dass die Mitgliedstaaten bereits in ihrer ersten Diskussion zum Kommissionsvorschlag deutlich gemacht haben, dass sie weitreichenden Kompetenzen für die Koordinatoren ablehnend gegenüberstehen. Es bleibt zu wünschen, dass auch die Verkehrsminister und nationalen Regierungen hier die Notwendigkeit einer transparenten Planung und effizienten Koordination unterstützen.
Zusammenfassend denke ich jedoch, dass der neue Ansatz, ein leistungsstarkes, multimodales Kernnetz über die Staatsgrenzen hinweg zu spannen, den grenzüberschreitenden Verkehr in Europa revolutionieren wird. Außerdem hilft der starke Fokus auf die umweltfreundlicheren Verkehrsträger Schiene und Binnengewässer, den Straßenbauwahn der letzten Jahrzehnte abzubremsen. Die Zukunft des europäischen Verkehrs wird heute entschieden!
Den vollständigen Artikel "Eine europäische Idee nimmt langsam Fahrt auf – die Transeuropäischen Netze Verkehr" aus dem aktuellen Verkehrsmanager (Mitgliederzeitschrift des BFBahnen) finden Sie hier (PDF, 528 kB)

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