Maria Noichl: SozialdemokratInnen drängen auf Sonderausschuss

Maria Noichl, MdEP

16. März 2018

Ein Rohrreiniger auf Abwegen

Im Europäischen Parlament hat sich der Sonderausschuss für EU-Genehmigungsverfahren für Pestizide konstituiert. Dabei steht für mich im Vordergrund, die Umstände der Glyphosat-Zulassung lückenlos aufzuklären und zu prüfen, inwieweit das europäische Zulassungsverfahren reformiert werden muss.

Glyphosat startet seine Karriere als Rohrreiniger

Als der Schweizer Chemiker Henri Martin im Jahr 1950 Glyphosat entdeckte, rechnete er wohl kaum damit, dass dieser Stoff ein halbes Jahrhundert später in Mengen von nahezu einer Million Tonnen weltweit verkauft werden und einem US-amerikanischen Unternehmen einen Umsatz von in etwa 2 Milliarden Dollar bescheren würde.

Der Stoff, der zunächst in den 50er Jahren nur wenig Aufmerksamkeit erhalten hatte, wurde von Monsanto zunächst als Rohrreiniger eingesetzt, bis das Unternehmen auf seine herbizide Wirkung stieß und ihn im Jahr 1969 als Unkrautvernichtungsmittel patentierte. 1974 wurde das Herbizid mit dem Namen „Round up“ auf den US-Markt gebracht. Das Produkt ist heute weltweit das meist genutzte Pflanzenschutzmittel und toxisch gegenüber fast allen Pflanzen. „Round up“ hat bei den Pflanzenschutzmitteln einen globalen Marktanteil von 25% und wurde, außer in der Landwirtschaft, auch noch bis vor kurzem in Privatgärten und auf öffentlichen Liegenschaften eingesetzt.

Krebsstudien der 70er, 80er und 90er Jahre

Schon damals bei der Erstzulassung mehrten sich die Beweise, dass es bei der Genehmigung nicht mit rechten Dingen zuging. Das machen heute zugängliche Studien, Briefe und Protokolle der amerikanischen Umweltbehörde (EPA) und von Monsanto deutlich. Unklar ist nach wie vor, wieso die EPA in den 70er Jahren zwei unbrauchbare Krebsstudien eines privaten Forschungsinstituts in Erwägung gezogen, belastende Befunde bei Mäusen zu Tumoren in der Schilddrüse und der Bauchspeicheldrüse ignoriert und auch die Häufung von Hodentumoren übersehen hat.

Auch in den folgenden Jahrzehnten konnte das krebserregende Potential von Glyphosat immer wieder ohne jegliche Konsequenzen nachgewiesen werden. Auch neuere Studien in den 90er Jahren zeigten statistisch signifikante Häufungen von Tumoren in beispielsweise der Leber von Ratten. Und dennoch wurden auch diese Bedenken von der amerikanischen Umweltbehörde mit Hilfe des Einflusses von Monsanto weggewischt. Wie dies genau geschah, kann in dem Buch von Herrn Dr. Helmut Burtscher-Schaden „Die Akte Glyphosat“ nachgelesen werden.

Wiederzulassung in der Europäischen Union

Die Vorgeschichte des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat beschäftigte die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit und die ExpertInnen der EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission im Jahr 2016, denn die Wiederzulassung des Stoffes stand in der EU auf der Tagesordnung. Der Zulassungsprozess wurde von der Öffentlichkeit in einem besonderen Maße verfolgt, da zeitgleich in den USA interne E-Mails von Monsanto, die sogenannten Monsanto-Papers, veröffentlicht wurden. Dies wurde von einem amerikanischen Bezirksrichter im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren gegen Monsanto in den USA angeordnet. Bei dem Gerichtsverfahren klagten mehrere Landwirtinnen und Landwirte mit Lymphdrüsenkrebs auf Schadensersatz.

Monsanto Papers

Die internen E-Mails legen den Verdacht nahe, dass Monsanto wissenschaftliche Studien selbst geschrieben und dann von WissenschaftlerInnen abnicken lassen hat. Auf eine dieser Studien stützen sich auch die Risikobewertung des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) und der Bewertungsbericht der Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Beide Institute kamen zu dem Ergebnis, dass Glyphosat nicht krebserregend sei. Die Studie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) kam im März 2015 jedoch zu einem anderen Ergebnis und stufte Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend ein.

Das Drama um die Wiederzulassung in der EU hatte seinen vorläufigen Höhepunkt, als der Ex-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), Ende letzten Jahres durch einen Alleingang den Weg für eine Wiederzulassung für fünf Jahre frei machte.

Im Europäischen Parlament haben aufgrund dieser Entwicklungen die europäischen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf einen Sonderausschuss zur Untersuchung der Vorkommnisse gedrängt und diesen schließlich auch durchgesetzt. Meine Aufgabe als Vollmitglied im Sonderausschuss ist es, jetzt für Klarheit zu sorgen. Wie kann sichergestellt werden, dass das europäische Zulassungsverfahren zukünftig transparenter, sicherer und unabhängiger wird?

Für mich hat Priorität, dass wir den Forschungsauftrag der EFSA, der in der EU zuständigen Agentur für Pestizidgenehmigungen, ausweiten. Diese gibt nämlich nur eine Empfehlung bezüglich des Reinwirkstoffes ab - nicht über mögliche Cocktailwirkungen von verkaufsfertigen Produkten. Auch müssen die Methoden wissenschaftlichen Arbeitens von uns analysiert und zwischen den weltweiten Instituten und Agenturen verglichen werden.

Des Weiteren muss klar gestellt werden, ob sich bei der Zulassung von Glyphosat alle EU-Agenturen an geltende Regelungen, Leitlinien und Verhaltenskodizes gehalten haben. Schließlich benötigen wir eine Bestandsaufnahme des aktuellen Personals und ihren Finanzmitteln und müssen sehen, inwiefern die europäischen Agenturen mit diesen Mitteln ihren Aufgaben nachkommen können. Last but not least, müssen wir über die Förderung unabhängiger Forschung diskutieren und abwägen, inwieweit diese finanzierbar und sinnvoll ist.

Auf diese gemeinsame Arbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen freue ich mich. Pack mas o!

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