Maria Noichl: Menschenrechtsverletzungen an indigenen Völkern müssen ein Ende haben!

Maria Noichl, MdEP

06. Juli 2018

Geschätzte 370 Millionen Menschen, in mehr als 70 Ländern weltweit, ca. 5 Prozent der gesamten Menschheit - mindestens 5000 verschiedene indigene Völker besiedeln schätzungsweise 22 Prozent der Landfläche, die gleichzeitig 80 Prozent der biologischen Vielfalt der Erde beherbergen soll. Und überall sind sie den gleichen Gefahren ausgesetzt. Das muss endlich ein Ende haben, fordert das Europäische Parlament.

Indigene Völker sind relativ gesehen die „ersten“ BewohnerInnen eines Gebiets und kulturell deutlich von der Mehrheitsgesellschaft unterschieden, wie beispielsweise die Eskimos oder die Aborigines.

All diese indigenen Völker haben eines gemeinsam: Sie verfügen über eine einzigartige Verbindung zu dem Land und der Umwelt, in der sie leben. Sie nutzen die verfügbaren natürlichen Ressourcen, um einzigartige Wissenssysteme, Innovationen und Verfahren zu schaffen, die wiederum einen wesentlichen Teil ihrer Identität und Spiritualität prägen und für den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt von großer Bedeutung sind.

Die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker erkennt die kollektiven und individuellen Rechte der indigenen Völker an: insbesondere ihre Rechte auf ihr Land, ihr Eigentum, ihre natürlichen Ressourcen, ihre Gebiete, ihre Kultur, ihre Identität und ihre Sprache, auf Beschäftigung, Gesundheit und Bildung sowie auf die freie Bestimmung über ihren politischen Status und ihre wirtschaftliche Entwicklung. Leider ist sie nicht rechtsverbindlich. Deshalb haben wir Europaabgeordneten uns dafür ausgesprochen, diese Rechte stärker zu schützen.

Aufgrund ihrer Lebensweise und ihrer engen Verbundenheit zu dem Land, auf dessen natürliche Ressourcen sie angewiesen sind, zählen sie zu den Bevölkerungsgruppen, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels bedroht sind. Aber nicht nur davon: Indigene Völker leiden zudem unter körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt sowie Rassismus, Ausgrenzung, Diskriminierung, Zwangsräumungen, zerstörerischer Besiedlung sowie rechtswidriger Enteignung oder Zwangsenteignung von ihren angestammten Gebieten und der Verwehrung des Zugangs zu ihren Ressourcen, ihrer Lebensgrundlage und ihrem traditionellen Wissen. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind sie heute schlimmer bedroht als noch vor zehn Jahren.

Besonders indigene Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sind in Gefahr: Häufig werden sie Opfer von Ermordungen, außergerichtlichen Hinrichtungen, Verstümmelung, Folter, Vergewaltigung, willkürlichen Festnahmen, tätlichen Übergriffen und Einschüchterung, wenn sie ihre Rechte auf ihre angestammten Gebiete und natürlichen Ressourcen, zu denen auch der Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln gehört, verteidigen.

Denn in vielen von Landnahme betroffenen Ländern ist der wirksame Zugang zu Gerichten und Rechtsbehelfen für indigene Völker eingeschränkt, was auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass ihre Bodenrechte im lokalen bzw. nationalen Recht häufig nicht formell anerkannt sind, sondern es sich um traditionelle Landnutzungsrechte handelt. Diese beruhen nicht auf erworbenen Eigentumsrechten, sondern lediglich auf Gewohnheitsrecht. Auch das Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) schreibt fest, dass die kollektive Landnutzung ermöglicht und Maßnahmen für einen gerechteren Zugang zu Land umgesetzt werden müssen.

Zudem fordern wir Europaabgeordneten die Mitgliedstaaten auf, die Partnerländer aktiv zu unterstützen, im Einklang mit den Freiwilligen Leitlinien der Vereinten Nationen für die verantwortungsvolle Regulierung von Eigentums-, Besitz- und Nutzungsrechten an Land, Fischgründen und Wäldern und den internationalen Menschenrechtsnormen sowie dem Grundsatz der freien, vorherigen und in Kenntnis der Sachlage erteilten Zustimmung auf den Erwerb von Land in großem Umfang zu handeln.

Die Ausbeutung der indigenen Völker durch staatliche und nicht-staatliche Akteure muss endlich ein Ende haben. Wir sozialdemokratischen Abgeordneten setzen uns daher für einen intensiven Dialog mit den Partnerländern ein, gerade auch wenn es um Handels- und Kooperationsabkommen geht. Menschenrechte sind schließlich nicht das Tüpfelchen auf dem i, sondern rechtlich verbindlich und eine absolute Priorität!

Teilen