Maria Noichl: Europa macht sich für Whistleblower stark

17. April 2019

Whistleblower (zu Deutsch HinweisgeberIn) sind keine Erscheinung unserer Zeit. Schon immer haben Menschen Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang an die Öffentlichkeit - teils unter hohem Risiko - gebracht.

Herbert von Bose, Pressechef des konservativen Vizekanzlers Franz von Papen, gab beispielsweise im Jahr 1934 geheime Informationen und Unterlagen über Gräueltaten der Nationalsozialisten an eine Reihe von ausländischen Journalisten. Nachdem die Nationalsozialisten die Quelle dieser Informationen ausgemacht hatten, wurde Bose von der SS erschossen. Die bekanntesten Whistleblower unserer Zeit sind Edward Snowden oder Chelsea Manning. Ohne den Mut dieser Menschen wären die NSA-Überwachung oder Kriegsverbrechen nie an die Öffentlichkeit gelangt. Auch der VW-Dieselskandal oder die Lux Leaks-Affäre gehen auf Whistleblower zurück. Diese Menschen haben ihre persönliche Zukunft und ihr Leben für die Allgemeinheit aufs Spiel gesetzt. Viele Menschen wagen diesen Schritt aber nicht, da ihnen teils drastische Strafen drohen. Nur zehn EU-Mitgliedstaaten haben bisher einen umfassenden Rechtsschutz für HinweisgeberInnen, die im öffentlichen Interesse handeln. Deutschland hat bisher nur einen partiellen und damit keinen weitreichenden Schutz. Das Europäische Parlament hatte die EU-Kommission daher bereits 2017 aufgefordert, einen Gesetzgebungsvorschlag vorzulegen, der EU-weite Regelungen zum Schutz von Whistleblowern bietet. Der Druck hat Wirkung gezeigt. Im April 2018 hat die EU-Kommission einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Im März 2019 gab es in Trilogverhandlungen eine Einigung zwischen Parlament, Rat und Kommission, die das Plenum diese Woche in Straßburg bestätigt hat.

Die Einigung der drei Institutionen soll nun HinweisgeberInnen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor schützen, die Verstöße gegen bestimmte, klar definierte EU-Gesetze melden. Dies beinhaltet unter anderem die Bereiche Finanzdienstleistungen, öffentliches Auftragswesen, Umweltschutz, Lebensmittel-, Produkt- und Transportsicherheit sowie den Datenschutz. Mitgliedstaaten können bei der Umsetzung der Richtlinie den Schutz auf weitere Bereiche von EU-Recht ausweiten. Dabei sollen nun neben Angestellten, auch Beamte und Beamtinnen, Selbstständige, Aktionäre und Aktionärinnen, Freiwillige, PraktikantInnen, BewerberInnen oder ehemalige Angestellte geschützt werden. Personen, die Whistleblower unterstützen, wie zum Beispiel Kolleginnen und Kollegen, sollen ebenfalls vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden. Die Richtlinie soll HinweisgeberInnen beispielsweise Schutz vor Suspendierung, Entlassung oder Sanktionen bieten. In den nationalen Rechtssystemen sollen verhältnismäßige und effektive Strafen für Fälle vorgesehen werden, in denen Personen versuchen, diese Meldungen zu verhindern oder zu erschweren, die Identität des Hinweisgebers zu veröffentlichen oder Vergeltungsmaßnahmen durchzuführen. Neu ist auch, dass Unternehmen mit mindestens 50 Angestellten und Gebietskörperschaften mit mindestens 10.000 EinwohnerInnen interne Kanäle zur sicheren Meldung von Missständen einrichten müssen. Jeder Mitgliedstaat wird zukünftig auch öffentliche Behörden benennen beziehungsweise öffentliche Meldestellen einrichten müssen, an die sich HinweisgeberInnen wenden können. Zudem sollen sie von den Mitgliedstaaten durch kostenlose Beratung sowie rechtliche, finanzielle und psychologische Hilfe unterstützt werden. In Gerichtsverfahren gilt die Umkehr der Beweislast, sodass die Person, die den Hinweisgeber verklagt, nachweisen muss, dass es sich dabei nicht um eine Vergeltungsmaßnahme für die erfolgte Meldung handelt.

Die Richtlinie soll ein erster Schritt zu einem besseren Schutz sein. Wir SozialdemokratInnen können uns auch vorstellen, dass dieser Schutz von europäischem auch auf nationales Recht in allen Mitgliedstaaten ausgeweitet wird, damit Menschen wie Edward Snowden oder Chelsea Manning in Zukunft nicht mehr um ihre persönliche Zukunft fürchten müssen, wenn sie sich an die Öffentlichkeit wenden.

In Deutschland wird übrigens seit 1999 alle zwei Jahre ein internationaler Whistleblower-Preis vergeben. Der Preis wurde von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und der Deutschen Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA) gestiftet. Auch Transparency International beteiligt sich an der Preisvergabe. Der Preis soll die Öffentlichkeit für das Whistleblowing sensibilisieren und die – häufig von Entlassung und Maßregelungen betroffenen oder bedrohten – PreisträgerInnen unterstützen. Aktueller Preisträger ist Can Dündar, der für seine Enthüllungen über eine Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung durch den türkischen Geheimdienst MIT an terroristische Dschihadisten in Syrien Anfang 2014, welche gegen geltendes Völkerrecht verstößt, ausgezeichnet wurde.

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