Ismail Ertug: "Lange Rede, wenig Konkretes"

16. September 2020

Die erste Rede zur Lage der Union von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute in Brüssel kommentiert Ismail Ertug, Vizevorsitzender der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament.

„Neues EU-Klimaziel, europäische digitale Dekade, eine stärkere europäische Gesundheitsunion - Ursula von der Leyen hat in ihrer ersten Rede zur Lage der Union in mehr als 60 Minuten einen präsidialen Rundumschlag mit vielen Ankündigungen hingelegt. Dabei ist sie in vielem zu unkonkret geblieben und gibt wenig Orientierung, wohin genau die Kommission in den kommenden Monaten will. Was wir jetzt brauchen, sind Handlungen.“

„Als Hüterin der Verträge hätte Ursula von der Leyen deutlicher die Verantwortung den Mitgliedsstaaten zuschieben können, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Stattdessen: Kein Wort zu den Alleingängen der Mitgliedsstaaten bei den Grenzschließungen zu Beginn der Pandemie. Kein Wort zu finanziellen Konsequenzen bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Auch das Thema Eigenmittel fand keinen Platz in ihrer Rede. Dabei wäre es jetzt an der Zeit gewesen, dem Europäischen Parlament bei den Haushaltsverhandlungen den Rücken zu stärken - jenseits der einzigen Ankündigung bei EU4Health nachzuverhandeln.“

„Auch das Asylpaket ist längst überfällig. Erst sollte es im Frühjahr 2020 kommen, jetzt hat Ursula von der Leyen dies für Ende September angekündigt. Es bleibt spannend, wie sie den gordischen Knoten der ideologischen Gräben der Mitgliedsstaaten in der Asylfrage lösen möchte. Die schrecklichen Bilder aus Moria sind das Ergebnis jahrelanger gescheiteter EU-Flüchtlingspolitik und das Ergebnis der Mitgliedsstaaten, die eine solidarische, humanitäre Lösung blockieren. Der Aufbau eines neuen Lagers auf Lesbos ist keine europäische Lösung.“

„Ursula von der Leyen hat angekündigt, das kommende Jahrzehnt müsse Europas digitale Dekade sein. Auch die Bedeutung von KI scheint erkannt worden zu sein. Ich begrüße, dass die Kommission 8 Mrd. Euro in eine schnelle Dateninfrastruktur investieren möchte. Auch im Bereich der Industriepolitik ist es wichtig, dass die EU unabhängig ist, gerade im Bereich einer europäischen Wasserstoffindustrie und einer europäischen Batteriezellenindustrie. Was noch fehlt, sind hier konkrete Gesetzgebungen.“

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